Krisen ohne Ende – Herausfordernder Vortrag von Prof. Felix Ekardt im Hospitalhof in Stuttgart 

Was muss geschehen, um die Weltgesellschaft noch zu retten oder sind Politik und Gesellschaft fähig und bereit für die notwendige Transformation? Diese Fragen standen im Mittelpunkt des packenden Vortrags. 

Rund 100 Interessierte waren der Einladung der Stuttgarter Regionalgruppe der Global Marshall Plan Initiative am 9. Februar in den Hospitalhof gefolgt. Aus privaten Gründen konnte Felix Ekardt leider nicht persönlich erscheinen, sondern wurde aus Leipzig elektronisch zugeschaltet.  

 

Monika Renninger vom Hospital und Uli Sihler von der Regionalgruppe begrüßten zunächst die Anwesenden und stimmten auf die hochaktuelle Thematik ein. Nach einer kurzen Vorstellung der Global Marshall Plan Initiative und des Referenten wurde es spannend:  

Prof. Ekardt verdeutlichte zunächst die Dringlichkeit eines raschen Handelns: Die Folgen des Klimawandels sind schon heute spürbar und mit enormen Kosten verbunden. Die Einhaltung der 1.5 Grad Grenze der Temperaturerhöhung sei im Pariser Abkommen vertraglich zugesichert worden und verbindlich. Um die Ziele noch erreichen zu können, sei ein rasches und drastisches Umsteuern erforderlich. So sei das verbleibende Budget an Treibhausgasemissionen schon bald erschöpft (global 300Gt CO2 ab 2020). Deutschland habe von seinem Budget bereits mehr als die Hälfte verbraucht. Selbst bei Zukauf von Emissionsrechten seien drastisch strengere Klimaziele nötig.  

Als die zwei wichtigsten Handlungsfelder identifizierte er die Nutzung fossiler Brennstoffe (überwiegend für Heizung und Verkehr) sowie die extensive Tierhaltung. Gelänge es in diesen Bereichen umzusteuern, hätte dies weitreichende Effekte, beispielsweise auf die Biodiversität oder die Überdüngung der Böden. 4/5 der Agrarflächen beanspruche die Tierhaltung, für die Erzeugung 1kcal tierischer Nahrung würden 7kcal pflanzliche Quellen benötigt.  

Die erforderlichen Veränderungen seien komplex, es gebe verfassungs-, europa- sowie völkerrechtlich konfligierende Ziele. Neben dem Klimaschutz gehe es auch um Versorgungssicherheit und Verteilungsfragen. Mit seiner Klage vor dem Bundesverfassungsgericht hatte Prof. Ekardt erreicht, dass die Politik ihre Anstrengungen für die Erreichung der verbindlichen 1.5 Grad-Grenze des Pariser Klimaschutzabkommens verstärken muss. Strenge Klimaschutzmaßnahmen, insbesondere Sofortprogramme seien im Sinne der Sicherung der Lebensgrundlagen kommender Generationen geboten und ließen sich aus dem Grundgesetz ableiten.  

Doch wie kann diese Transformation gelingen? Ein multimethodischer Zugang sei erforderlich, aber komplex. Der Wandel gelinge nur aus einem wechselseitigen Zusammenspiel von Individuen und Strukturen, Verhaltenswandel auf vielerlei Ebenen und der Ausschöpfung von Technik. Wissen und Werte („Bewusstsein“) seien nur als Verstärker interessant, ein Wandel bei technisch-ökonomischen Pfadabhängigkeiten und die Anerkennung als Kollektivgutproblem sei erforderlich. Dabei klaffe noch immer eine große Lücke zwischen Anspruch und Handeln, das u.a. durch Verdrängung und Gewohnheiten geprägt sei. Glück und Kapitalismus seien nicht zwangsläufig ein Widerspruch. Glück korreliere statistisch mit Ressourcenverbrauch, werde aber auch durch Vergleiche geprägt. Es sei unplausibel, postkapitalistische Menschen nur als kooperativ, also altruistisch zu sehen. So reiche der „Kleingruppenegoismus“ in die biologischen Ursprünge des Menschen, Konkurrenz sei auch ein Faktor für Produktivität. Der Wandel sei möglich, aber nicht bei allen Faktoren und eher evolutionär als revolutionär. 

Die Europäische Union habe für die erforderlichen Veränderungen eine zentrale Rolle: Klima müsse als ein globales Problem behandelt werden, Verlagerungseffekte und Wettbewerbsnachteile könnten verhindert werden. Zentrale Maßnahmen müssten auf europäischer Ebene verankert werden. So gebe es mit den Programmen „Fit for 55“, REPOWER EU, Fünf-Punkte-Plan für Gas“ entsprechende Ansätze, die Umsetzung ziehe sich jedoch noch hin.  

Ein Ansatzpunkt für die Erreichung der globalen Klimaziele könne eine Stärkung des Emissionshandels sein, den die Global Marshall Plan Initiative seit langem unterstützt. Jedoch sei eine Reform der bisherigen Ansätze erforderlich, z.B. strengere Caps, das Schließen von Schlupflöchern und das Streichen von Altzertifikaten.  

Im Anschluss an den Vortrag hatten die interessierten Zuhörer die Möglichkeit, ihre Fragen an den Referenten zu stellen und mit den Mitgliedern der Global Marshall Plan Lokalgruppe ins Gespräch zu kommen und über Ekardts Thesen zu diskutieren. Ein besonderer Dank geht an die GLS Bank, welche wie bereits in den Vorjahren, durch eine großzügige Unterstützung die Veranstaltung ermöglicht hat. 

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Ein Text von der Regionalgruppe Stuttgart