Wissenschaft und ‘alternative Fakten’: Energie, Klima, Zukunft – navigieren in schwierigem Gelände

Wie erkennt man, was Wissenschaft ist und was sogenannte Fake News sind? Was unterscheidet Wissenschaft von Meinungen, „Bauchgefühl“ und Populismus? Diesen und weiteren Fragen gingen Expertinnen und Experten in der digitalen Ringvorlesung „Wissenschaft und alternative Fakten“, veranstaltet von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel nach.

Einen der sechs Inputvorträge mit anschließender Diskussion hielt Global Marshall Plan-Mitstreiter Prof. Franz Josef Radermacher. Sein Vortrag und alle weiteren Beiträge der Ringvorlesung sind auf YouTube über den Kanal der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel abrufbar.

Radermacher wirft in seinem Vortrag einen Blick auf die aktuelle Situation der Themen Energie, Klima und Zukunft.

Der Zugang zu Energie ist die Grundlage für ein komfortables Leben, weshalb er überall auf der Welt eingefordert wird. Da dieser Zugang jedoch noch immer stark von der Verbrennung fossiler Rohstoffe abhängig ist, ist er eine Grundlage des Klimaproblems. Radermacher stellt die Verknüpfung von Wohlstand mit einem hohen Ressourcen- und Energieverbrauch und damit mit vielen CO2-Emissionen her. Armut bedeutet das Gegenteil davon:

„Wenn wir die Natur nicht belasten wollen, wenn wir das Klimasystem stabilisieren wollen, dann ist das eigentlich ganz einfach möglich; am besten wäre, es gäbe die Menschen gar nicht, ersatzweise die Menschen wären extrem arm und die Reichen würden viel ärmer und die Armen würden nicht versuchen, reich zu werden. Das wäre ein geniales Programm, dem Klima und der Ressourcenbasis zu helfen. Nur ist dieses Programm aus der Sicht der Menschen ein sehr unattraktives.“

Diese naheliegende Lösung, die auch als Brasilianiserung oder Kollapslösung der Welt bezeichnet wird, ist keinesfalls attraktiv. Dennoch steuern wir momentan auf diese Lösung zu. Die Weltgemeinschaft hat sich bisher nicht als fähig erweisen, den Wohlstand mit dem Schutz des Klimas klug zu kombinieren. Auch das Parisabkommen schafft hiervon bisher keinen Ausweg, da die Staaten mit ihren zugesicherten Maßnahmen das 2°C – Ziel verfehlen. Gemeinsam geäußerte Wünsche ziehen nicht die Bereitschaft, dafür individuell das Nötige zu tun, nach sich.

Die deutsche Philosophie, um das Klimaproblem anzugehen, ist „primär all electric“. Jedoch kann das Klimaproblem nicht mit Elektroautos gelöst werden. Es fehlt dafür beispielsweise schon am benötigten grünen Strom, den diese Elektroautos benötigen würden. Außerdem muss auch die „Bestandsflotte“ berücksichtigt werden, durch die noch mindestens die nächsten zehn bis 15 Jahre fossil angetriebene Fahrzeuge Deutschlands Straßen befahren.

Im zweiten Teil seines Vortrags geht Radermacher auf eine Strategie ein, „mit der man die Dinge zumindest besser machen kann, als wir es heute tun.“ :

Diese fusst auf drei Bausteinen:

  1. Der Produktion von Grünem Wasserstoff: Einsatz von Erneuerbaren Energien, mit denen klimaneutrale Energiegase und – flüssigkeiten erzeugt werden können

Für diese wertvolle Industrie spielen die Sonnenwüsten der Welt eine wichtige Rolle. In wüstennahen Ländern beispielsweise in der Sahara in Afrika bieten diese Projekte die Chance, klimaneutrale Energie bereitzustellen und gleichzeitig die Entwicklung der Länder vornazubringen.

80% des Klimaproblems lassen sich nach Radermachers Kalkulationen lösen, wenn man erneuerbaren Strom klug mit erneuerbaren synthetischen Kraftstoffen koppelt.

„Dies weltweit zu etablieren ist ein gigantisches Programm in der Größenordnung der heutigen Mineralölindustrie.“

  1. Die „nature based solutions“, beispielsweise durch massive Aufforstung degradierter Böden, konsequenter Regenwaldschutz und dem Wiederaufbau von Mangrovenwäldern. Außerdem steht der Aufbau einer mächtigen Humusschicht im Fokus, die benötigt wird, um zukünftig 10 Milliarden Menschen zu ernähren.
  2. Die „Allianz für Entwicklung und Klima“: Diese strebt an, Klimagasemissionen von Akteuren des Privatsektors in hochwertigen Projekten in Nicht-Industriestaaten zu kompensieren. Diese Projekte müssen sich dadurch auszeichnen, dass einerseits Entwicklung gefördert wird und das gleichzeitig das internationale Klimasystem stabilisiert wird.

Im Anschluss an den Vortrag diskutiert der Wissenschaftler mit Doktoranden*innen der Universität Kiel und dem Publikum über aktuelle Forschung, die Bedeutung des Rechnens, das Klimaproblem und weitere Themen. Auch die Diskussion ist im Video aufgezeichnet.